Vom 14. – 30. November 2025.
Das ganze Programm kann hier angesehen werden. Rot unterlegte Schrift führt zu weiterführenden Links. Einfach draufklicken.
Symposium & Hackathon – Digitalität, Demokratie & Kultur
Am 15. und 16. November 2025 im Tanzarchiv Köln.
Die digitale Entwicklung und die Verwendung von KI im Tanz sind zweifelsfrei eine Zeiterscheinung, und somit trifft das Moovy Tanzfilmfestival meinen Recherche-Fokus ganz genau. Ich konzentriere mich auf die Themen, die mich interessieren, und beschreibe meine Erlebnisse und Eindrücke von meinem ersten Kontakt mit der virtuellen Welt.

Ohne Vorstellung davon zu haben, was genau mir an diesen beiden Tagen begegnen würde, habe ich sehr offen und interessiert an dem Symposium teilgenommen. Mein Wissen über Digitalität ist Alltagswissen, den Bezug zu Demokratie und Kultur konnte ich mir nicht vorstellen, finde ihn jedoch sehr interessant. Und enorm wichtig in unserer Zeit.
Den Begriff Hackathon musste ich nachschlagen: Hackathon (Wortschöpfung aus „Hack“ und „Marathon“) ist eine kollaborative Soft- und Hardwareentwicklungsveranstaltung.
Das Vokabular für die virtuelle Welt
Extended Reality (XR)
XR, kurz für „Extended Reality“, ist ein Sammelbegriff für all jene immersiven Medien, welche virtuelle Welten erzeugen, reale Welten erweitern oder reale Welten mit virtuellen Umgebungen kombinieren. Dazu zählen insbesondere Virtual Reality (VR), Augmented Reality (AR) und Mixed Reality (MR).[1]
Augmented Reality (AR)
In der Augmented Reality (AR) wird die reale Welt mit Elementen aus dem virtuellen Raum überlagert. Meist visuell, kann auch auditiv oder haptisch sein.
Virtual Reality (VR):
Die reale Welt ist ausgeblendet.
Mixed Reality (MR)
Real Environment und Virtual Reality: „Mixed Reality“ ist eine noch relativ junge Technologie, die Elemente aus Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) verbindet.
Immersion, Immersiv
Eintauchen in eine virtuelle Realität durch immersive Medien, z. B. eine VR-Brille.
Vorträge und Diskussionen über Digitalität, Demokratie und Kultur
Informationen zu den Vortragenden und ihren Themen sind hier mit weiterführenden Links zusammengefasst:
Leider habe ich die beiden ersten Beiträge von Audrey Tang und E. Glen Weyl verpasst, da ich wegen Verkehrsproblemen zu spät gekommen bin. Meine Erkenntnisse habe ich fett markiert.
Audrey Tang, ehemalige Digitalministerin von Taiwan, und E. Glen Weyl, amerikanischer Ökonom bei Microsoft Research und Gründer von RadicalxChange, haben zusammen das visionäre Buch Plurality: The Future of Collaborative Technology and Democracy verfasst. Technologie wird hier als Motor demokratischer Teilhabe betrachtet, die Plattform kann mit „open source“ weiterentwickelt werden.
Klaas Werner (sein Vortrag ist hier zu sehen) fordert dazu auf, Kunst und Kultur im digitalen Zeitalter neu zu denken und aktiv zu gestalten: Kulturinstitutionen sollen langfristige digitale Strukturen aufbauen, Ressourcen teilen und sich für gemeinwohlorientierte Vernetzung einsetzen.
Jonathan Harth, hier interessiert mich vor allem das Thema „VR als Empathie-Maschine?“ das ich auf seiner Homepage gefunden habe. Ein Thema, das ich mir nicht vorstellen kann, und von dem ich bisher überhaupt keine Idee hatte.
Jens Heitjohann, künstlerischer Leiter des Theaters im Depot, Dortmund. Hier ist es das Beyond Gravity Festival 2025, das mit dem Schwerpunkt „Decolonizing the Digital“ mein Interesse geweckt hat. In Residenzprogrammen schaffen Künstler*innen aus dem globalen Süden eigene Werke im globalen Norden. Technologie soll so einbezogen werden, dass sie viele Sichtweisen und Weltanschauungen gleichberechtigt einbezieht.
Stephani Howahl untersucht die Auswirkung der netzspezifischen K-Pop-Welle auf ihre 9-jährige Tochter, die selbst kein eigenes digitales Endgerät besitzt, aber leidenschaftlich auf dem Schulhof mit Freund*innen K-Pop-Choreografien nachtanzt. Als Ergänzung zu meiner „Hallyu, die koreanische Welle“-Recherche bin ich sehr auf Ihre Publikationen zu diesem Thema gespannt.
Die Beschäftigung mit dem Gehörten im Nachgang ist für mich sehr erhellend. Sie führen mich tiefer in die Materie und mein Interesse steigt. Die für mich interessantesten Personen und ihre künstlerische Arbeit sind Charlotte Triebus und Fabien Prioville.
Charlotte Triebus arbeitet an der Schnittstelle von Performance, Technologie und Medienkunst. Leider war sie nicht anwesend, Christian Geiger von Mirevi hat den Vortrag übernommen. Er ist Techniker und Informatiker und arbeitet eng mit Charlotte Triebus zusammen. Hier geht es um New Media Art. Frau Triebus verbindet Choreografie, Extended Reality und interaktive Systeme, um neue Formen der körperlichen und räumlichen Erfahrung zu erforschen. Bildet sich ein neues Verständnis von Expanded Reality – erweiterter Realität – in der digitalen Kunst? Ihre Homepage mit den vorgestellten Arbeiten finde ich besonders interessant und werde sie weiterverfolgen.

Fabien Prioville, Tänzer und Choreograf, hat mich am stärksten beeindruckt. Er setzt digitale Technologien mit der Frage ein, wie das Publikum stärker in kreative Prozesse eingebunden werden kann. In seinen Arbeiten zeigt er, wie Körper, Technologie und demokratische Gestaltungsräume im zeitgenössischen Tanz zusammenwirken können. Sehr interessant sind insbesondere der Trailer zu „Dancing Audience“ und viele andere Beiträge auf seiner Seite.
Die für mich wichtigsten Erkenntnisse aus dem Symposium sind, dass Technologie als Motor demokratischer und gleichberechtigter Teilhabe betrachtet werden kann und Kunst und Kultur im digitalen Zeitalter neu zu denken und aktiv zu gestalten sind. Eine „erweiterte Realität“ scheint möglich, form- und mitbestimmbar.
Ich habe eher skeptisch und ohne Vorstellung davon, wie Digitalität, Demokratie und Kunst zusammenwirken könnten, an diesem Symposium teilgenommen. Von der Fülle an Informationen überfordert, gelingt es mir erst in der Nachbereitung, mehr Verständnis, neues Wissen und damit eine veränderte Sicht und Wertung zu entwickeln. Die mit Staunen, Wertschätzung und vertieftem Interesse einhergehen.
Arbeitsphase
In der Arbeitsrunde am Samstagnachmittag beschäftigt sich meine Gruppe mit dem Thema Utopie. Eine immer wiederkehrende Forderung in den Vorträgen war, dass es dringend einer digitalen europäischen Unabhängigkeit bedarf. Es geht um digitale Räume für Kunst, auf die die großen Tech-Unternehmen keinen Einfluss haben, um unabhängig und geschützt (?) zu arbeiten.
Die Aktualität dieses Themas zeigt sich direkt in der Nachbereitung:
Am 18. November 2025 fand der Gipfel zur „Europäischen Digitalen Souveränität“ Europas digitale Zukunft gestalten. Gemeinsam. statt.
Correctiv berichtet über den Gipfel und den „US Cloud Act“. Der „US Cloud Act“ erlaubt US-Sicherheitsbehörden, auf Cloud-Infrastrukturen von US-Unternehmen und die dort abgelegten Daten zuzugreifen. Auch wenn die Daten und Rechenzentren bei uns in Europa liegen. Dazu ein Denkanstoß zu mehr digitaler Souveränität in Europa von Markus Beckedahl.
Beispiel einer Lösung des Internationalen Gerichtshofes, deren Cloud durch die USA blockiert wurde: Nutzung von Arbeitsplatzsoftware aus Deutschland vom Zentrum für digitale Souveränität (Zendis).
Aktuell baut die „Schwarz Gruppe“, Muttergesellschaft von Lidl und Kaufland, ein riesiges Rechenzentrum ohne staatliche Unterstützung. Sie investiert 11 Milliarden Euro im Spreewald, auf einem ehemaligen Kraftwerksgelände in Brandenburg, und betreibt es mit Strom aus erneuerbaren Energien.
Workshop Dancing Fantasia – zwischen Körper und virtueller Welt
Am Freitag, dem 20. November, nehme ich am Workshop Dancing Fantasia – zwischen Körper und virtueller Welt teil und gehe danach zu den Installationen Immersive Choreografien: Tanz in VR, AR und XR, beide in der Tanzfaktur Köln.
Beide Veranstaltungen bedeuten für mich ein „reales“ Eintauchen in eine unbekannte Welt, die ich vorher noch nie besucht habe. Ich bin überwältigt und fasziniert von dem Erlebten und tief beeindruckt von der hohen künstlerischen Qualität der Beiträge und der Fachkompetenz, mit der in der und für die virtuellen Welten kreiert und geschaffen wird.
Denn alles Erlebte findet dort statt – in der virtuellen Welt, in die mich die VR-Brille transportiert.
Im Workshop, geleitet von den jungen Koreanerinnen Jiwoo Kim (3D, Grafik und Textildesign) und Hojin Lee (XR Design), suchen wir aus mehreren Tanzvideos einen Tanzstil aus, bekommen einen Ausdruck mit einer Tanzszene, den wir farblich ergänzen. Während des Colorierens wird jeweils eine Teilnehmerin in die Funktion der VR-Brille eingeführt.
Mit dem Aufsetzen der Brille tauche ich in einen schwarzen 360-Grad-Raum ein, den Markierungen als zylindrischen, nach oben offenen Kreativraum begrenzen.

Mit dem Tool in der linken Hand wird das Menü geöffnet, das Tool in der rechten Hand wählt die Werkzeuge aus, mit denen der Raum gestaltet wird. Landschaften lassen sich als Hintergrund auswählen, Farbverläufe, Linien, Bänder, blinkende Sterne – ein unermessliches Sammelsurium an Werkzeugen steht zur Verfügung!
Dann wird das eigene bunt gemalte Bild hochgeladen und kann im virtuellen Raum geöffnet werden. Ich kann es vergrößern, vervielfachen, positionieren, mit Bildern der anderen Workshopteilnehmerinnen kombinieren, und vieles mehr. Jetzt beginnt das Malen und Gestalten der Umgebung im dreidimensionalen Raum. Ich kann zwischen den tanzenden Figuren, vor und dahinter, darüber und darunter, farblich oder figürlich kreativ werden.
Immersive Choreografien: Tanz in VR, AR und XR, in der Tanzfaktur Köln
Direkt im Anschluss an den Workshop tauche ich in die immersiven Choreografien in den angrenzenden Räumen ein.
Der erste Eindruck erfolgt über eine Arbeit von Norbert Pape: Ich betrete real einen Raum, der von zwei Leinwänden begrenzt ist. Es sind Bilder von Wasser, an die ich mich erinnere, gesprochene Texte, die in meiner Erinnerung von dem Erleben im virtuellen Raum zwischen den Leinwänden überlagert sind: Mit dem Aufziehen der VR-Brille stehe ich plötzlich im Wasser. Große, unterschiedlich geformte Muscheln werden von seichten Wellen umspült und sanft bewegt. Ich gehe erst um die Muscheln herum, dann durch sie hindurch. Lichtkugeln schweben durch den Raum, ich versuche, sie mit meinen Händen zu fangen. Verzaubert „wate“ ich durch das Wasser. Plötzlich steigt es an, bis auf Kinnhöhe. Ich muss mich an eine Säule lehnen, fühle mich etwas unsicher, denn jetzt kann ich auch unter Wasser sehen.
Später steigen die Muscheln bis an die Decke, ins Weltall, fallen wieder herunter, ins Wasser. Mittlerweile erschrecke ich nicht mehr, sondern folge fasziniert dem Geschehen. Mehr zur Arbeit von Norbert Pape.
Später sehe ich Oneironautika II, Konzept und Entwicklung: Laurenz Ulrich x Mirevi, Choreografie: Charlotte Triebus

In einem kugeligen Sessel setze ich die VR-Brille auf und lehne mich bequem zurück. Ich starre auf die Wolke, die vor mir flirrt. „Du musst durch die Wolke!“ wird mir zugerufen. Mit einem Tool in jeder Hand kann ich mich bewegen und schaffe es in die Wolke hinein: Plötzlich erscheint ein riesiger, hoher Theatersaal. Ich befinde mich oben, hinter den absteigenden Sitzreihen, und schaue auf eine schwarze Wasserfläche – den Saalboden.
Langsam bewege ich mich nach unten, nähere mich dem Boden – dort erscheinen zwei tanzende, eng umschlungene Menschengestalten. Sie tanzen in stetem, wechselndem Körperkontakt und ich kann mithilfe der Steuerelemente meine beobachtende Position wechseln.
Nach einer Zeit ziehe ich mich wieder in Richtung der Zuschauerränge zurück. Die Szene beginnt sich aufzulösen, der Boden mit den Tanzenden hebt sich, durch die Decke, und löst sich schließlich wieder als Wolke auf.
Meine Aufnahmekapazität ist aufgebraucht. Ich verlasse das Festival mit zitternden Beinen und leichtem Kopfschmerz. Von elf immersiven Choreografien habe ich fünf gesehen, bin absorbiert und tief beeindruckt von den Universen, die sich durch die VR-Brillen manifestieren.
Das Interesse, mich weiter mit immersiven Arbeiten zu beschäftigen, ist geweckt. Schon habe ich im Programm vom Tanzfestivals Saar 2026 die Ankündigung vom Theater ANU gefunden, dass ein sensorisch-sinnliches Theater der Begegnungen erforscht und immersive Welten in öffentlichen Räumen aufbauen wird.
