Teilnahme an dem partizipativen Tanzprojekt des Choreographen Pierre Rigal im Weltkulturerbe Völklinger Hütte in Kooperation mit Le Carreau, scène nationale de forbach et de l’est mosellan
Fotos: Copyright Rachel Mrosek, Seraina Stoffel Text: Seraina Stoffel
Meine Devise für meine Recherchearbeit war von Anfang an, mich durch meine Intuition leiten zu lassen. Das heißt, mich mit dem zu beschäftigen, was mir begegnet und was mich davon interessiert.
Ein Selbstversuch zur Wirkung vom Tanzen im Kreis
Über Tanz zu schreiben ist schwierig, über das Erleben und die Wirkweise von Tanz noch schwieriger. Denn Tanz existiert im Moment, ist eine flüchtige Kunst, die sich im Moment des Erlebens manifestiert, er ist Gegenwart, reine Körperlichkeit im Hier und Jetzt, der gesehen und erlebt werden muss.
Um genau dieses Erleben geht es mir.
Dies ist der Versuch der Wirkung und der Kraft vom Tanzen im Kreis nachzuspüren und sie zu beschreiben.

Meine Anmeldung für den Workshop bei R·ONDE·S von Pierre Rigal, war ein spontaner Akt. Das Wort „Kreistanz“ in der Ausschreibung war dafür auslösend.
Nachdem ich mich in meiner Recherche zum Thema Kreistänze (siehe mein Bericht „Uns fehlen 1000 Jahre Tanzgeschichte“) intensiv mit dem Tanzen „um etwas herum“ in der Frühzeit beschäftigt habe, bin ich tief beeindruckt von der wichtigen Rolle und tiefen Bedeutung, die der Kreistanz im Leben der Menschen gespielt hat. Vor allem in der Frühzeit wurde ausschließlich im Kreis getanzt: Um einen Baum, um ein Feuer, um einen (kranken) Menschen um Heilung, Wohlergehen und Bannen von Übeln für die Gemeinschaft zu erbitten, um Übergänge unterstützend zu begleiten und auf neue Lebensphasen vorzubereiten. Und natürlich zur Freude und zur Stärkung der Gemeinschaft.
Werde ich etwas davon durch die Teilnahme am Workshop erleben? Durch meine fast fünf Jahrzehnte lange Arbeit als Tanzpädagogin, Tänzerin und Choreografin war ich gewohnt, in der vermittelnden Rolle zu sein. Der Perspektivenwechsel lässt mich am Gruppenprozess teilhaben: Ich kann in Ruhe meine Beobachtungen über die Entwicklung und die Wirksamkeit des Kreistanzens während der Erarbeitung der Choreografie und der Aufführungen anstellen.
Dass ich so offen, unbeschwert und beobachtend in das Erlebnis eintauchen kann, hängt für mich damit zusammen, dass ich mich vor über drei Jahren fast ganz aus der aktiven, körperlich pädagogischen und gestalterischen Tanzarbeit zurückgezogen habe. Mein Körper, mein Köpergedächtnis mein Bewegungsspeicher sind neutralisiert, ein physischer und mentaler „Neustart“ findet statt, dem ein großer Erfahrungsschatz zu Grunde liegt.
Eine Entdeckung darin ist die Verstärkung der emotionalen Wahrnehmung, der Fühlebene, die sich vor die interpretierende kognitive Analyse geschoben hat.

Die archaische, rituelle und universelle Bedeutung der Kreistänze wird auch in Pierre Rigals Beschreibung für sein Stück R·ONDE·S verwendet. Darin sah ich eine Möglichkeit für mich, dem, was ich mit Worten beschrieben habe, ein reales Erlebnis hinzuzufügen.

Der Weg zum Erlebnis: Ich will wissen, was die Beteiligten über Kreistänze wissen. Und beobachten, was sich bei mir und anderen im Laufe des Projektes verändert. Die Befragungen habe ich zu Beginn der Workshop-Phase gemacht.
Die Workshop Teilnehmer*innen
Es wurde in zwei Gruppen gearbeitet. Die Teilnehmer*innen waren deutsch und französisch sprechend, die Unterrichtssprache war englisch.
Wir haben eine Choreografie aus Elementen der Gesamtchoreografie einstudiert, die ausschließlich auf der Kreisbahn getanzt wird. Sie wird zum Schluss als Bindeglied zwischen der Ensemble-Aufführung und der Einladung ans Publikum, im Kreis mitzutanzen, in das Stück integriert.

Mich hat interessiert, warum sich die Teilnehmer*innen für den Workshop mit dem Thema Kreistanz angemeldet haben. Es gab verschiedene Gründe, doch keiner hatte mit dem eigentlichen Thema Kreistanz zu tun. Einige haben ein starkes Interesse am Tanz, sie wollten neue Tanzformen kennenlernen und mit Profis tanzen. Andere wollten einfach etwas gemeinsam mit einer Freundin aus Kindertagen machen. Manche haben sich aus Interesse an der Arbeit von Pierre Rigal und der Möglichkeit, an einem Stück mitzuwirken angemeldet. Oder es war der Wunsch, im Weltkulturerbe zu tanzen.

Die Frage nach der Bedeutung von Kreistänzen wurde hauptsächlich aus der bisher gemachten Erfahrung während des Workshops beantwortet:
- Es gibt Sicherheit
- Viel gemeinsame Energie spürbar
- Gemeinschaft entsteht durch Berührung – Verbindung Erinnerung an die Kindheit
- Gefällt, dass wir gemeinsam tanzen Unsicherheit fällt nicht auf, man kommt sofort wieder rein

Die Frage nach der eigenen Erfahrung mit Kreistänzen ergab kaum andere Antworten als „keine“.
Dennoch:
- Es wurden Erinnerungen an das Walzertanzen geweckt.
- Oder an Familienfesten im Norden Afrikas, bei denen alle im Kreis getanzt haben, unabhängig von Alter oder Kenntnissen der Tänze. Alle waren in den Tanz integriert. Es war ein schönes Erlebnis, man fühlte sich wie Teil eines größeren Organismus, einer Gemeinschaft.
- Der eigene Hochzeitstanzt wurde im Kreis getanzt
- Teilnahme an einem Kreistanz Angebot in Saarbrücken. Kreistänze sind Meditation, alle sind zusammen und machen gemeinsam etwas Schönes.
- Der Kreis hat keinen Anfang und kein Ende – es gibt keine Menschen die wichtiger sind als die anderen – es sind alle gleich
- Das Gemeinschaftsgefühl und die Energie sind im Kreis stärker als in offenen Formationen
- Hat mit Geflüchteten Kreistänze angeleitet

Meine Frage nach einem entstehenden Gespür für die Universalität des Kreistanzens durch die Teilnahme am Workshop wurde schon viel detaillierter beantwortet:
- Tanzen im Kreis ist „chaleureux“ (herzlich, warm, liebevoll, warmherzig)
- Kreistanz ist ein Symbol der Gemeinschaft
- Kinder tanzen intuitiv im Kreis, sie brauchen keine Anleitung.
- Kreis als Rituale für die Zusammengehörigkeit, z.B. im Fußball.
- Wir bilden einen engen Kreis, bevor wir auf die Bühne gehen. Das ist unser Ritual.
- Das einfache Bewegungsmaterial weckt Assoziationen zu Ursprünglichem, Natürliches und Elementares wird angesprochen. Das wird z.B. in Paartänzen nicht angesprochen. Wenn man die Schritte nicht kennt, ist man verloren.
- Es gibt einen Unterschied, ob wir uns an den Händen fassen oder nicht: Das Erlebnis ist intensiver beim Durchfassen. Hier ist es schwierig, weil wir einzeln tanzen. Das „Geführtwerden“ durch die Gruppe fehlt.
- In der Gesellschaft ist jeder für sich. Es fehlt etwas, es wäre schön, wenn das Tanzen im Kreis wiederentdeckt würde.
- Assoziationen von Indigenen die um ein Feuer tanzen.
- In der Hexennacht wird um den Maibaum getanzt.
Beeindruckend empfinde ich die Feststellungen von zwei Teilnehmerinnen, die eine besondere Voraussetzung mitgebracht haben:
Eine hat ein Handycap, aber das spielt für sie als Teilnehmerin keine Rolle. Sie kann gleichwertig mittanzen. Es gibt keine Bewertung, keine Beurteilung. Wenn ich „nicht gut tanze“ werde ich mitgetragen und tanze besser, wenn ich „gut tanze“ werde ich kopiert, die Gruppe ist gemeinsam für das positive Gelingen verantwortlich, es gibt keine Einzelleistung, die mehr zählt als andere. Dieses Umgehen miteinander empfindet sie als sehr hilfreich in der aktuellen Krise unserer Zeit.
Eine junge ukrainische Schauspielerin nimmt am Workshop teil. Sie empfindet den Kreistanz als den besten Weg sich hier zu integrieren. Es ist besser als ein Sprachkurs, sagt sie. Kultur ist das Mittel zur Integration und Tanz ist universell, weil er ohne Sprache Gemeinschaften bildet.
Zurzeit (im Juni) findet in der Ukraine ein jährliches Ritual statt, bei dem die ganze Nacht im Kreis durchgetanzt wird. Für die Gemeinschaft – nicht nur jetzt wegen des Krieges, sondern schon seit immer. Die Teilnahme hilft ihr sehr, sie fühlt sich allein in Deutschland. Durch den Workshop empfindet sie sich in einer Gemeinschaft.
Emma Rouaix und Ismaël Belabid-Lenoir

Die beiden Ensemblemitglieder der Compagnie Dernière Minute von Pierre Rigal haben die Workshops geleitet.
Die Nachfrage bei Emma Rouaix und Ismaël Belabid-Lenoir zu ihren Erfahrungen in der Erarbeitung des Stückes ergab, dass sie kaum Vorkenntnisse zu Kreistänzen hatten. Emma hat einige Male bei Folklore Tänzen in ihrem Heimatort mitgetanzt, Ismael erinnert sich an Arbeitsprozesse, bei denen die Verbindung zwischen den Tänzer*innen intensiviert werden sollte. Dafür wurde während seiner Ausbildung und tänzerischen Laufbahn auf den Kreis zurückgegriffen.
Foto: Nadine Wenner
Die Erarbeitung von R·ONDE·S war für sie anfangs keine besondere oder neue Erfahrung. Es ist aber ihre erste Erfahrung mit einem kompletten Stück, das im Kreis getanzt wird.

Pierre Rigal gab keine besonderen Informationen zum Thema, nur dass der Kreis eine universelle Form sei und er eine ganz eigene „folkloristisch inspirierte“ Form erschaffen wolle.
Die Tänzer*innen wurden aufgefordert ihr eigenes tänzerisches Material zu kreieren, in verschiedenen Tempi, mit verschiedenen Qualitäten. Es wurde Sanftes, Tierhaftes, Energisches und Dynamisches entwickelt und einstudiert, das natürlich durch das ständige Durchfassen seine Besonderheit und Inspiration hatte. Eine Wahrnehmung der archaischen Dimension oder einen Bezug zum Ursprung des Tanzens haben sie nicht festgestellt. Sie sind „neutral“ mit dem Thema umgegangen und haben ihre ganz eigene Form auf der Basis ihrer erlernten Technik und verinnerlichten Tanzerfahrung kreiert und gemeinsam mit Pierre Rigal ausgearbeitet.



Das ist ihre Arbeit, sagen sie. Die Außenwirkung bleibt für die Rezipienten. Dennoch habe sich ein enges Gemeinschaftsgefühl und eine starke Zusammengehörigkeit durch das Tanzen im Kreis entwickelt, stärker sagen sie, als wenn sie in einer frontalen Formation gearbeitet hätten. Sie haben sich intensiver gespürt, konnten oft intuitiv den Bewegungsabläufen folgen. Sie haben die Energie oder ggf. das Problem der anderen Person besser gespürt und konnten unmittelbar mitgehen oder ausgleichen. Da sie nur die Gruppe im Kreis sehen, verstärke sich die Energie und werde potenziert.
Sie stellen beide fest, dass die Kommunikation zwischen den Tänzer*innen stärker sei als in einer z.B. individuellen, frontal ausgerichteten Formation. Sie hätten die Choreografie im Laufe des Erarbeitungsprozess immer mehr als Party gefeiert.

Auf meine Frage, ob sich ihre Wahrnehmung für Kreistänze verändert habe, ist Emma von der räumlichen, geometrischen Aufteilung und Positionierung auf dem Kreis, die Pierre Rigal seinem Arbeitsauftrag zugrunde gelegt hat, überrascht. „Es ist Mathematik“, sagt sie.


Ebenso überrascht ist sie darüber, dass sie durch das Durchfassen, das nicht gelöst werden darf, unausgesprochene Informationen bekommen hat, die sie im Tanz leiten.
Ismaël betont, dass er sehr viel über Kreise gelernt hat. Kreise und kreisen im eigenen Körper, das Bewegen auf einem Kreis, die Mechanismen und das Potential der Kreisform.
Pierre Rigal

Mit Pierre Rigal habe ich vor der zweiten Vorstellung über seine Motivation und der Vorgehensweise zu dem Stück R·ONDE·S gesprochen. Natürlich hat mich vor allem interessiert, warum er das Thema Kreis gewählt hat und wie er damit gearbeitet hat.
Foto: Nadine Wenner
Die Idee zum Thema Kreis kam aus einem Workshop Contact Improvisation mit Jugendlichen. Sie waren zu schüchtern, um miteinander in körperlichen Kontakt zu treten. Er hat ihnen vorgeschlagen, sich an den Händen zu fassen und einen Kreis zu bilden. Sie durften machen, was sie wollten, außer loslassen. Die Jugendlichen fühlten sich herausgefordert und haben angefangen zu improvisieren. Bei seinen Beobachtungen hat er das Potential der Kreisform festgestellt. Egal wie „verstrickt“ die Jugendlichen waren, sie mussten immer eine Lösung finden, um wieder in den „runden“ Kreis zurückzukommen. Das Thema war für alle befriedigend.
Für Pierre Rigal hat sich der Kreis als super Thema für eine Produktion herausgestellt. Es ist ein großes und vielseitiges Thema, sehr elementar, das er zu 100 % dem Kreis gewidmet hat: Eine Stunde Vorstellung, eine Stunde Kreis. Eine kurze Recherche zum Thema machte ihm sofort klar, dass der Kreis als Tanzform schon immer und auf der ganzen Welt existiert. Er ist so alt wie die Menschheit, Tanz und Kreis gehören universell zusammen.

Für Pierre ist vor allem der geometrische Aspekt des Kreises interessant: Auf dem Kreis sehen alle alle. Er ist eine natürliche Form, die sich durchsetzt und Vorgaben gibt. Das hat ihn fasziniert und er hat sich entschieden, zu diesem Thema zu arbeiten.
Das R·ONDE·S Ensemble hat er durch eine Audition neu zusammengestellt. Er gab Improvisationsthemen vor, zu denen die Tänzer*innen viel selbst entwickelt haben. Gemeinsam haben sie das Material gesichtet und ausgearbeitet. Die Materialfindung war eine kollektive Arbeit. Pierre hat sich sehr auf die geometrischen Parameter konzentriert. Es war das Kaleidoskop, das er in Bewegung umsetzen und als Tanz sichtbar machen wollte.

Durch die Wiederholungen und Intensivierungen der Bewegungen auf verschiedenen Positionen hat er tranceähnliche Aspekte gesehen.
Pierre wollte auf keinen Fall etwas kopieren! Er wusste, dass seine Choreografie an (Folklore)Tänze erinnert, aber er wollte auf keinen Fall eine bestehende Technik kopieren. Auf meine Frage nach Veränderung seines eigenen Bewusstseins für den Tanz im Kreis nennt er als seine Hauptwahrnehmung die Verstärkung der Energie, die eine eigene Kraft im Kreis entwickelt und sich potenziert. Pierre hat mit einem mechanischen physischen Ansatz gearbeitet, ohne Worte wie ursprünglich, universell oder archaisch zu verwenden. Es ist sein erstes Stück, das positiv endet, sagt er. Sogar mit einer Party!

Was will er dem Publikum mitteilen? Möchte er „Erinnerung“ an Ursprüngliches beim Publikum wecken?
Sicherlich wird sich das Publikum an fröhliche und unbeschwerte Kreistänze der eigenen Kindheit erinnern. Obwohl er Folklore nicht imitieren will, sind folkloristische Aspekte in dem Stück. Man erkennt die archaische Struktur und erkennt die DNA des Tanzes, die in den Menschen eingeschrieben ist.

Sieht Pierre Rigal eine Beziehung zwischen der Wahl des Themas und den Umwälzungen der heutigen Zeit?
Pierre ist klar, dass sich an den Händen fassen eine sehr starke und symbolhafte Geste ist. Sie bedeutet für die Erarbeitung von R·ONDE·S auch, dass man sich darauf einlassen, sich Mühe geben, die Nähe, den Schweiß der anderen aushalten muss. Es ist ihm wichtig, dass ich die Bedeutung von „Agacement“ richtig verstehe: Es bedeutet Gereiztheit, die sich durch die körperliche Nähe aufbauen kann. Sich an den Händen fassen, ist für ihn eine Metapher: Es kreiert eine Verbindung zwischen den Menschen.

Das Stück hat seine Wichtigkeit in der aktuellen Zeit, doch er will sein Stück nicht der aktuellen Situation unterordnen – Viele Menschen kommen zu ihm und sagen: Das Stück tut so gut! Es hat eine sehr positive Energie, die uns mitreißt, mitnimmt, Kraft gibt. Das ist für ihn relevant.

Warum bezieht er Amateure ein?
Die Energie der Tänzer*innen potenziert sich im Kreis und überträgt sich auf das Publikum! Der Einbezug von Amateuren in das Finale von R·ONDE·S verstärkt natürlich die Sensibilisierung für das Thema. Die Begeisterung ist überall groß.

Mein eigenes Erleben
Pierre Rigal hat über die Körper, über das Erarbeiten von abstraktem Bewegungsmaterial durch und mit den Tänzern*innen gearbeitet. Die Zuschreibungen durch die Attribute ursprünglich, archaisch, rituell an den Kreis haben keine Rolle gespielt: Dennoch sind sie im „Ergebnis“ überdeutlich erkennbar. Das ist eines der großen Potenziale von Tanz. Er wirkt ohne Worte.
Die Choreografie R·ONDE·S zu sehen ist für mich pure Freude. Sie versprüht Energie, Begeisterung und ist so kraft- und machtvoll. Das Publikum entlädt seine Begeisterung am Ende mit der Aufforderung durch Pierre Rigal und den Tänzer*innen, im Kreis mitzutanzen. Es wird Teil der Zeremonie! Die grandiose Livemusik von Gwenaël Drapeau und Mélanie Chartreux treibt an und zaubert glückliche Gesichter auf hunderte begeistert tanzende Menschen, die den Kreis immer wieder aufbrechen und die Schlange in schier unlösbare Schlaufen und Ösen winden.






Nach meinen Fragen über die Wirksamkeit von Kreisen bekam ich von den Teilnehmer*innen immer wieder spontane Rückmeldungen über ihre Erlebnisse und Erkenntnisse während des Workshops. Ich habe das Gefühl, dass eine größere Aufmerksamkeit, ein stärkeres Bewusstsein, mehr Aufmerksamkeit auf das Erfahren durch meine Fragen stattgefunden hat. Es hat sich etwas manifestiert, was sie anfangs meist vage formuliert haben. Interessant ist für mich, dass alle unabhängig voneinander mit den gleichen Worten die Eigenschaften vom Kreistanz und ihrem eigenen Erleben beschreiben.
Ich freue mich darüber, dass wir als Gruppe spürbar enger zusammengewachsen sind. Auch das Zusammenführen der beiden Workshopgruppen hat zu einer begeisterten Gesamtgruppe geführt. Das Erlernen unseres Kreistanzes war Konzentration auf die Schritte und die Abfolge und körperlich anstrengend. Für mich war das eigentliche Erleben der Kreisdynamik erst ab der Generalprobe und in den beiden Aufführungen spürbar. Und schließlich die Ekstase und das Spüren des Funkens der Begeisterung, der auf die Zuschauenden während der Vorstellung überspringt. Das ist ein unvergessliches Erlebnis.


Natürlich weiß ich über gruppendynamische Prozesse, vor allem im Tanz, gut Bescheid – sie in diesem Projekt real, mit meinem beobachtenden Auge auf die Wirksamkeit der Kreise zu erleben, ist für mich etwas Besonderes, das mich sehr zufrieden und hoffnungsfroh macht. Ich weiß um die Kraft des Tanzes und bin jetzt noch stärker davon überzeugt, dass er ein wichtiges und kraftvolles Medium für Gemeinschaft und Zusammenhalt in dieser beunruhigenden Zeit ist. Denn er fördert die Eigenwahrnehmung und stärkt das Selbstvertrauen. Man trägt als Individuum zum Gelingen bei.
Ein starkes Gefühl von Glück stellt sich während der beiden „Spectacles“ bei mir ein, auch am nächsten Tag empfinde ich tiefe Zufriedenheit und „eins sein mit mir“. Wenn ich an die beiden Vorstellungen zurückdenke, ist es direkt wieder da als eine wertvolle Erinnerung und vertieftes Wissen um die Kraft des Tanzes. Die hier erlebte Wirksamkeit der Tanzkreise potenziert diese Erfahrung.
Das Projekt R·ONDE·S passt perfekt in diese Zeit! Der rituelle Aspekt des Tanzes erlebt eine Renaissance unter den Choreograf*innen. Sie reagieren u.a. mit zahlreichen neuen „Sacre du Printemps“ Interpretationen. In Dessau wird das Anti-Kriegsballett „Der grüne Tisch“ von Kurt Jooss gezeigt. In der Schweiz gibt es aktuell drei Tanzausstellungen in Museen, die die Relevanz von Tanz für den Menschen, die Gesellschaft und die Politik thematisieren.
Weitere Forschungsbeiträge zu diesen Themen findet Ihr hier auf meiner Seite!

Vielen Dank an Rachel Mrosek für die wie immer grandiosen Fotos, an Frank Krämer von der Völklinger Hütte für die freundliche Unterstützung während des Projektes, an Pierre Rigal und die Compagnie Dernière Minute für das mitreissende „Spectacle“ und den Workshop.

Und an meine Mittänzer*innen für das gemeinsame Erlebnis.
Literaturtipps
Sehr Interessant: Dance Your PhD – tanz Deine Doktorarbeit zum Thema kollektive Bewegung von Manisha Biswas in den Sozialwissenschaften, Humboldt-Universität Berlin
Brandstetter, Gabriele/Wulf, Christoph (Hrsg.) : Tanz als Anthropologie. München: Wilhelm Fink, 2007. 338 Seiten : Illustrationen.
Klein, Gabriele : FrauenKörperTanz. Eine Zivilisationsgeschichte des Tanzes. Weinheim [u.a.]: Beltz/ Quadriga, 1992. 336 Seiten : Illustrationen.
Stein-Hinrichsen, Kristina : Tanzen als Widerstand. „one billion rising“ und choreographische Interventionen im öffentlichen Raum (TanzScripte; Bd. 64). Bielefeld: transcript, 2022. 354 Seiten : Illustrationen.
Zeitungsbericht Rondes von Silvia Buss
Aktueller Bericht vom 16.6.2025 Ab 26:53
